Sie
brachen auf. Hope schubste ab und zu die Welpen an, kläffte, wenn sie
sich im Spiel miteinander verloren. Während die Tiere leichtfüßig über
die Schneebretter liefen, mussten die beiden Menschen jeden Schritt sorgfältig
prüfen. Die Schneeschuhe mit den großen Flächen gaben eine gewisse
Sicherheit, nicht einzubrechen, aber Erid wusste, wenn ein Schneebrett
sich löste, würde sie zu Tal sausen und zerschlagen ankommen. Samira und
er hielten großen Abstand voneinander ein.
„Ist
besser so“, meinte sie, „dann trifft es nicht beide.“
Erid
keuchte. „Du hast ja einen goldenen Humor!“ Aber er musste dennoch
grinsen.
Er
hatte das Gefühl, dass sie dem roten Glanz näher kamen und es schien,
als läge er nicht mehr am Horizont sondern vor ihnen in einer Senke.
„Wir erwischen dich schon“, schrie er atemlos vom eisigen Wind. Dieser
Moment der Unaufmerksamkeit riss ihm die Füße weg, er landete auf dem
Hintern und kam ins Rutschen. „Samira!“
Doch
sie war viele Meter entfernt von Erid und er schlitterte weiter bergab,
warf sich zur Seite, kam bäuchlings zu liegen und krallte vergeblich die
Hände in die eisige Schneeschicht. Plötzlich galoppierte Hope neben,
packte mit tropfenden Lefzen nach Erids Ärmel, doch die rasante Talfahrt
ging weiter, die Wölfin zerrte vergeblich, ließ sich auf allen Vieren
mitschleifen, ließ nicht los.
Durch
das Gewicht des Tieres kam Erids Körper ins Drehen, sauste nun mit dem
Kopf voran weiter. Hope musste loslassen, blieb aber neben ihm. Sie
glitten unter die Baumgrenze, endlich wurde es flacher. Mann und Tier
rollten zwischen Latschenkiefern aus, blieben liegen. Erid streckte nach
einer Weile die Hand nach Hope aus, tastete sie ab, dann sich selbst –
die Knochen waren heil geblieben. Aber er spürte jeden Zentimeter seines
Leibes als puren Schmerz. Hope schüttelte sich und sprang auf. Ächzend
drehte Erid sich auf den Rücken, kam auf alle Viere und von da in den
Stand. Seine Beine zitterten. Die Schneeschuhe hingen zersplittert an den
Riemen um die Stiefel. Er blickte den Hang aufwärts, den er
heruntergerattert war und entdeckte Samira und die Welpen, die sich einen
Weg herunter bahnen.
„Alles
in Ordnung?“, fragte Samira, als sie bei Erid ankam.
„Sieht
so aus, fühlt sich aber nicht so an. Was gäbe ich für einen
Saunabesuch!“
Die
Steigung abwärts war gemäßigter und sie kamen in dem bewaldeten Gebiet
gut voran. Zwischen den Bäumen lag nur wenig Schnee, der Pfad war nicht
vereist. Nach gut zwei Stunden standen Erid und Samira am Rand einer
Schlucht.
„Das
war’s“, knirschte Erid zwischen den Zähnen.
„Jetzt
bräuchten wir ein Wunder“, sagte Samira und seufzte. Es ging gut
hundert Meter steil hinab. Die Welpen fiepten und zitterten vor Kälte.
Hope legte sich hin und die Kleinen krochen zu ihr, schmiegten sich an ihr
Fell.
„Pause.“
Erid sammelte Holz.
Bald
hatte Samira ein Feuer entfacht, sie hockten sich auf einen liegenden
Stamm und brüteten gemeinsam über eine Möglichkeit, in die Schlucht zu
gelangen. Erids Blase drückte, er ging am Rand des Abgrund in die
Richtung, die sie drüben eingeschlagen hätten, da warf es ihn zu Boden,
nicht weil er rutschte, sondern vor Überraschung. Auf der anderen Seite
glomm das rötliche Licht; es pulsierte, aber Erid konnte die Quelle nicht
ausmachen, der Wald lag dazwischen. Er hetzte zu ihrem Lagerplatz zurück.
„Samira, wir sind dem Leuchten nahe gekommen!“ In dem Moment erklang
auch wieder die süße Melodie, laut und deutlich. „Hörst du das
auch?“, fragte er.
Samira
nickte. „Wie überwinden wir nur diese Barriere?“
..18.12..
©
Elsa Rieger