Heiner
Larsen, der Bürgermeister von Drochtersen schien es an diesem Morgen
nicht eilig zu haben, das Elbstrandrennen zu eröffnen. Es war fast elf,
als er Paul Becker endlich versprach, dem Gemeinderat vorzuschlagen, aufs
Verkaufsrecht für das alte Harmsen-Grundstück zu verzichten.
Larsen
grinste Becker an: „So nervös wie heute habe ich Sie noch nie erlebt.
Ich wusste gar nicht, dass Sie sich für Pferde interessieren."
„Meine
Frau ..." Becker wischte sich den Schweiß von den Schläfen.
„Francesca
wird Sie nicht gleich köpfen, wenn Sie etwas später kommen. Ohne mich
wird eh nicht angefangen. Wir fahren bei Ihnen vorbei und holen sie
ab."
Becker
stand auf und knöpfte sich das Jackett wieder zu. Nach den Unwettern der
letzten Tage war es überraschend hei0 geworden und seine Kleidung war
viel zu schwer für den Aufenthalt im Freien. „Ich sollte nach Hause
fahren und mich umziehen." Die gefurchte Stirn Larsens signalisierte
ihm, dass er ihn konfus fand. „Francesca ist nicht zu Hause."
Die
Falten in Larsens Gesicht vertieften sich für einen Moment, dann
lächelte er wieder. „Wir sehen uns beim Rennen."
Während
Becker über den geklinkerten Weg vor dem Rathaus lief, fragte er sich,
warum Larsen so getan hatte, als wüsste er nichts von Francescas langer
Abwesenheit. Vielleicht wollte er ihn nur nicht bloßstellen ... „Junge,
du witterst überall Unrat", sagte er halblaut.
„Wie
bitte?" Der alte Fischer, der ihm gerade entgegenkam, blieb direkt
vor ihm stehen.
Becker
packte ihn am Arm , um ihn beiseite zu schieben. „Nur die Ruhe! Ich hab
Sie nicht gemeint."
Er
spürte förmlich das Kopfschütteln in seinem Rücken; der Alte starrte
ihm bestimmt bis zur nächsten Ecke hinterher.
Als
er den nächst gelegenen Taxi-Stand erreichte, fuhr der Mercedes des
Bürgermeisters an ihm vorbei. Das hintere Seitenfenster war
heruntergekurbelt und Becker war sicher, dass auch der Bürgermeister ihn
anstarrte, bis er außer Sichtweite war. Vielleicht hätte er mit Larsen
zum Rennen fahren sollen ... Aber dann? Der Jockey würde nicht einmal
dann mit ihm reden, wenn er die Gelegenheit dafür hätte.
Becker
stieg in ein Taxi. „Zur Pizzeria bitte."
„Die
hat jetzt noch nicht auf."
„Fahren
Sie schon." Wenn er etwas hasste, dann waren es diese Besserwissen
von Taxifahrern. Becker schnaubte. „Und wenn Sie sich ein wenig beeilen
könnten."
Aus
dem Rückspiegel traf ihn ein böser Blick.
Becker
klingelte am Lieferanteneingang und der Koch öffnete ihm.
„Wo
ist die Signora?"
„Wir
haben geschlossen!"
Becker
rührte sich nicht von der Stelle. Schließlich deutete der Koch vage in
Richtung Restaurant. Becker stürmte an ihm vorbei.
Die
Wirtsfrau stand mit dem Rücken zu ihm hinter der Theke und stellte
Weingläser auf ein großes Tablett.
„Rosita,
wo ist dein Bruder?"
Sie
bückte sich nach einem Karton mit neuen Gläsern. „Beim Rennen, wo
sonst?" Aus einem Schublade nahm sie ein langes Fleischmesser und
schnitt das Packband auf. „Was ist los?"
„Man
will ihn umbringen!"
„Sei
diventato matto?" Sie grinste. „Du gehst zu oft ins Kino."
Rosita wusste genau, dass er nie ins Kino ging.
„Ach
ja?" Er trat an die Theke.. „Und der Unfall?" Der
Zeitungsbericht war völlig diffus gewesen, aber ein bisschen Pokern
konnte nicht schaden.
„Don
Vento ist durchgegangen."
„Rein
zufällig? Und ebenso zufällig kam dieses Auto in die Quere? Und ebenso
zufällig hat Giovanni den Gaul nicht mehr in Griff gekriegt?" Er
beugte sich so weit vor, dass sein Gesicht fast ihre ausladende Brust
berührte. „Ich sag dir was: Der Gaul ist verrückt geworden, nicht ich.
Jemand hat dem Vieh was gegeben."
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Folge 28 ..