Ferieninsel Krautsand - 27 -

 

 

 

 

Home
Nach oben
Mitglieder
Veröffentlichungen
Schreibwerk-"zeug"
Disclaimer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Heiner Larsen, der Bürgermeister von Drochtersen schien es an diesem Morgen nicht eilig zu haben, das Elbstrandrennen zu eröffnen. Es war fast elf, als er Paul Becker endlich versprach, dem Gemeinderat vorzuschlagen, aufs Verkaufsrecht für das alte Harmsen-Grundstück zu verzichten.

Larsen grinste Becker an: „So nervös wie heute habe ich Sie noch nie erlebt. Ich wusste gar nicht, dass Sie sich für Pferde interessieren."

„Meine Frau ..." Becker wischte sich den Schweiß von den Schläfen.

„Francesca wird Sie nicht gleich köpfen, wenn Sie etwas später kommen. Ohne mich wird eh nicht angefangen. Wir fahren bei Ihnen vorbei und holen sie ab."

Becker stand auf und knöpfte sich das Jackett wieder zu. Nach den Unwettern der letzten Tage war es überraschend hei0 geworden und seine Kleidung war viel zu schwer für den Aufenthalt im Freien. „Ich sollte nach Hause fahren und mich umziehen." Die gefurchte Stirn Larsens signalisierte ihm, dass er ihn konfus fand. „Francesca ist nicht zu Hause."

Die Falten in Larsens Gesicht vertieften sich für einen Moment, dann lächelte er wieder. „Wir sehen uns beim Rennen."

Während Becker über den geklinkerten Weg vor dem Rathaus lief, fragte er sich, warum Larsen so getan hatte, als wüsste er nichts von Francescas langer Abwesenheit. Vielleicht wollte er ihn nur nicht bloßstellen ... „Junge, du witterst überall Unrat", sagte er halblaut.

„Wie bitte?" Der alte Fischer, der ihm gerade entgegenkam, blieb direkt vor ihm stehen.

Becker packte ihn am Arm , um ihn beiseite zu schieben. „Nur die Ruhe! Ich hab Sie nicht gemeint."

Er spürte förmlich das Kopfschütteln in seinem Rücken; der Alte starrte ihm bestimmt bis zur nächsten Ecke hinterher.

Als er den nächst gelegenen Taxi-Stand erreichte, fuhr der Mercedes des Bürgermeisters an ihm vorbei. Das hintere Seitenfenster war heruntergekurbelt und Becker war sicher, dass auch der Bürgermeister ihn anstarrte, bis er außer Sichtweite war. Vielleicht hätte er mit Larsen zum Rennen fahren sollen ... Aber dann? Der Jockey würde nicht einmal dann mit ihm reden, wenn er die Gelegenheit dafür hätte.

Becker stieg in ein Taxi. „Zur Pizzeria bitte."

„Die hat jetzt noch nicht auf."

„Fahren Sie schon." Wenn er etwas hasste, dann waren es diese Besserwissen von Taxifahrern. Becker schnaubte. „Und wenn Sie sich ein wenig beeilen könnten."

Aus dem Rückspiegel traf ihn ein böser Blick.

Becker klingelte am Lieferanteneingang und der Koch öffnete ihm.

„Wo ist die Signora?"

„Wir haben geschlossen!"

Becker rührte sich nicht von der Stelle. Schließlich deutete der Koch vage in Richtung Restaurant. Becker stürmte an ihm vorbei.

Die Wirtsfrau stand mit dem Rücken zu ihm hinter der Theke und stellte Weingläser auf ein großes Tablett.

„Rosita, wo ist dein Bruder?"

Sie bückte sich nach einem Karton mit neuen Gläsern. „Beim Rennen, wo sonst?" Aus einem Schublade nahm sie ein langes Fleischmesser und schnitt das Packband auf. „Was ist los?"

„Man will ihn umbringen!"

Sei diventato matto?" Sie grinste. „Du gehst zu oft ins Kino." Rosita wusste genau, dass er nie ins Kino ging.

„Ach ja?" Er trat an die Theke.. „Und der Unfall?" Der Zeitungsbericht war völlig diffus gewesen, aber ein bisschen Pokern konnte nicht schaden.

„Don Vento ist durchgegangen."

„Rein zufällig? Und ebenso zufällig kam dieses Auto in die Quere? Und ebenso zufällig hat Giovanni den Gaul nicht mehr in Griff gekriegt?" Er beugte sich so weit vor, dass sein Gesicht fast ihre ausladende Brust berührte. „Ich sag dir was: Der Gaul ist verrückt geworden, nicht ich. Jemand hat dem Vieh was gegeben."

 

.. Folge 28 ..

© Annemarie Nikolaus

 
 

 Copyright © 2005
  Stand: 09.08.2007