Feriennsel Krautsand - 2 -

 

 

 

 

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Der Hund reagierte nicht. Seine Rute schwang vor Aufregung wild hin und her.   

„Komisch.“ Herma ging auf ihn zu. „Was hast du denn da? Geh weg!“ Sie schubste ihn energisch zur Seite. Der Hund sprang zurück und lief davon. Herma beugte sich vor. Etwas Rotes schimmerte zwischen den Blättern hindurch. Sie griff danach. Sand und lockere Erde rieselten zur Seite. Einen Moment später hielt Herma ein Tuch in den Händen, das mit einem auffallenden Rosenmuster bedruckt war. Sie schüttelte es aus. Der seidige Stoff war feucht und ein wenig verschmutzt, dennoch glitt er durch ihre Finger. Der Hauch eines edlen Parfüms stieg Herma in die Nase.

War bestimmt teuer. Wer wirft denn so etwas weg?

Doch da unten musste noch mehr sein. An dem Tuch konnte der Hund nicht so gezerrt haben. Ächzend sank sie auf die Knie und schob den Kopf unter die Zweige. Dicht am Wurzelstock des Busches entdeckte sie eine von dem Hund halb frei gegrabene Tasche. Herma schob die restliche Erde beiseite. Eine Badetasche kam zum Vorschein. Blau-rot-gelb gestreift, eine, wie sie die Touristen mit sich herumtrugen. 

Herma stand schwerfällig auf. Schweißperlen sammelten sich auf ihrer Stirn. Sie klopfte die Erde von der Tasche und warf einen neugierigen Blick hinein. Leer.

Enttäuscht hob Herma den Kopf. Dann grinste sie.

„Wenn das niemandem gehört, kann ich es auch behalten.“ Verstohlen warf sie einen Blick über die Schulter. Niemand zu sehen. Herma faltete das Tuch zusammen und steckte es ins Seitenfach ihrer Jacke. Die Tasche schob sie unter die Achsel.

Herma legte den Weg zum See in wenigen Minuten zurück. Willi hockte am Ufer, die Angelrute zwischen seinen Füßen. Von Kurt keine Spur.

Umso besser, dachte Herma.

„Willi, sieh mal was ich gefunden habe.“

„Nicht so laut. Du vertreibst mir die Fische.“ Verärgert kniff er die Augen zusammen.

„Nun hab dich nicht so. Hier, ist das nicht hübsch?“ Sie faltete das Tuch auseinander.

„Ja, sehr nett“, brummte Willi, den Blick weiterhin auf das Wasser gerichtet.

„Dann nicht.“ Herma setzte sich ans Ufer. Die Tasche legte sie über ihre Oberschenkel. Auf einmal bemerkte sie ein unauffälliges Seitenfach. Herma öffnete den Reißverschluss. Im Innern fand sie eine silberne Kette, an der ein mit glitzernden Steinen besetztes Herz baumelte. Außerdem ein besticktes Taschentuch und einen zusammengefalteten Zettel.

Herma schloss die Hand um die Kette. Mit ihren fleischigen Fingern fischte sie den Zettel heraus.

 

Für Dich, liebste Ruth

Dein Giovanni

 

Die Handschrift wirkte ungelenk, mit steilen Buchstaben. So ähnlich wie Willis Schrift.

„Giovanni“, flüsterte Herma. Der Name klang nach Sonne, warmen Nächten am Strand und ... Herma kicherte.

Aber wieso lagen die Sachen vergraben unter einem Busch?

Sie breitete das Taschentuch aus. In der Mitte überdeckte ein dunkler Fleck die Blumenstickerei. 

Ob das Blut war? Abrupt richtete Herma den Oberkörper auf. Jemand wollte ein Verbrechen vertuschen.

„Willi, Willi!“ Sie stemmte ihren Körper hoch.

„Die Fische“, zischte er.

„Ach, was interessieren mich die Fische.“ Die Worte sprudelten aus ihr heraus. „Ich finde, wir sollten zur Polizei gehen“, endete sie.

„Glaubst du, ich will mich lächerlich machen? Häng dir das Herz um und dann ist gut.“

Herma schob die Unterlippe vor.

„Und wenn ich Recht habe.“

„Herma, ich will meine Ruhe.“

„Dann gehe ich zum Wohnwagen zurück.“ Willi nickte nur.

Ohne zu überlegen band Herma sich das Tuch um den Kopf und stapfte los.

Sicher hatte Willi Recht. In so einem kleinen Touristenort passierten keine Verbrechen. Ruth gehörte bestimmt zu diesen reichen, gelangweilten Frauen, die sich einen Liebhaber nehmen. Sie würde das Seidentuch und die Kette nicht vermissen.

„Gi-o-vanni.“ Herma seufzte leise.

Plötzlich ertönte hinter ihr eine barsche Stimme.

„Warten Sie! Woher haben Sie das?“

Erschreckt fuhr sie herum. Ein Mann, gekleidet in einen hellen Sommeranzug, das graue Haar sorgfältig nach hinten frisiert, blieb direkt vor ihr stehen.

„Woher haben Sie das?“, wiederholte er, den Finger auf ihren Kopf gerichtet.

Verlegen tastete Herma nach dem Tuch.

„Wie bitte?“

„Das Tuch. Es gehört meiner Frau.“

 ... Folge 3 ...

© Marion Pletzerr

 
 

 Copyright © 2005
  Stand: 13.07.2007