Herma
streifte sich gerade ihre Bluse ab, als Willi sie am Arm packte. „Was
soll das? Wo hast du mein Auto gelassen?“ So, wie er das ‚mein Auto‘
betonte, musste er gleich zum brodelnden Vulkan werden.
„Mach
dir keine Sorgen; - dein – Auto ist völlig in Ordnung.“ Das fehlte
noch, dass sie sich stritten. „Mein Fuß ist malad; so konnte ich nicht
fahren. „Schau doch nur, wie dick er geworden ist.“
Willi
schaute nicht. „Wo hast du es gelassen?“
„Ich
hole es gleich morgen früh, wenn mein Fuß besser ist.“
„Und
wenn nicht? - Und wenn du einen Arzt brauchst?“ Nun schaute er doch; er
bückte sich sogar und betastete vorsichtig den geschwollenen Knöchel.
„Wenigstens scheint er nicht gebrochen zu sein.“ Er stützte sich auf
die Tischkante, um sich wieder aufzurichten. „Besser, ich hole es jetzt
gleich.“
„Dreh
dich gefälligst um.“ Herma reckte
demonstrativ ihre Arme, um die Haken ihres Mieders aufzunesteln.
Sie hatte Mühe, den geprellten Arm weit genug nach hinten zu biegen und
versuchte deshalb, das Mieder zu drehen, bis die Haken wenigstens an der
Seite waren. Aber es gelang ihr nicht; sie hätte die volle Kraft beider Hände
gebraucht. Im Stillen verfluchte sie in diesem Augenblick ihre Eitelkeit.
„Ach
was, lass dir helfen.“ Nach zwei Minuten hatte Willi sie aus ihrem
schwarzen Monstrum befreit. „Also wo?“
Herma
seufzte resigniert. „Nicht weit von deinem See; da, wo der eine Dünenweg
aufhört und man auf das halb verfallene Gehöft schauen kann.“
Er
runzelte die Stirn.
„Ich
glaube, vor zwanzig Jahren haben es die Harmsens bewirtschaftet.“
„Kannst
du es nicht besser beschreiben?“ Willis Gesicht wurde noch eine Spur düsterer,
während er die Regenjacke vom Haken nahm. „Was vor zwanzig Jahren war,
hilft mir nicht weiter.“
Aber
Herma wollte nicht genauer werden. Er brauchte nicht zu erfahren, dass es
im Sand feststeckte. „Siehst du, es wäre doch besser, du wartest bis
morgen.“
Willi
gab zum Abschied noch ein Knurren von sich, dann öffnete er die Tür des
Wohnwagens.
Eine
Windbö trieb eine Sandwolke zu ihnen hinein; dann prasselten die ersten
schweren Regentropfen aufs Wagendach.
Willi
knurrte noch einmal, zog seine Fischerstiefel an und verschwand dann endgültig.
Der
Regen blieb spärlich, aber Blitze zuckten unablässig über den
bleigrauen Himmel. Willi fand sein
Auto, kurz bevor es Nacht wurde.
Mit
zusammengeknffenen Augen umrundete er sein Gefährt. „Ich hätte eine
Taschenlampe mitnehmen sollen.“ Nach der zweiten Runde atmete er auf.
„Scheint tatsächlich alles ganz zu sein.“
Er
schloss auf und startete. Mit einem hässlichen lauten Knirschen drehten
die Räder durch, als er anfahren wollte. „Verdammt!“ Er würgte den
Motor ab. „Verdammt!“
Er
startete erneut, legte den Rückwärtsgang ein und ließ ganz langsam die
Kupplung kommen. Der Wagen setzte sich in Bewegung. Willi trat das
Gaspedal um Millimeter herunter; er hatte das Gefühl, aus dem Sandloch
herauszukommen. Er hielt an und sah sich um. Kein vernünftiger Platz zum
Wenden. Als er den nächsten Meter rückwärts rollte, lenkte er ein wenig
zur Seite, um nicht wieder in dem Sandloch zu landen.
Dann
schaltete er in den ersten Gang und fuhr vorsichtig an. Gerade, als er
erleichtert aufatmete, begannen die Räder durchzudrehen. Willi nahm Gas
weg, aber es war zu spät. Er saß fest.
„Wenn
ich die Herma das nächste Mal sehe ...“ Einen Fluch nach dem anderen
ausspuckend, stieg er aus. „Ein paar Bretter. Vielleicht haben sie was
dort unten.“
Er
stiefelte hinunter zum Gehöft. Die Fenster waren alle dunkel; aus dem
Stall kam das Schnauben des Pferdes. Ein gewaltiger Donner krachte und das
Pferd wieherte und schien irgendwo gegen zu trommeln. Unvermittelt goss es
wie aus Kannen.
Willi
überlegte, ob er an der Haustür klopfen sollte. Aber da sich niemand
regte trotz des Lärms, den das Pferd veranstaltete, entschied er, dass
keiner zu Hause war.
Er
umrundete den Stall auf der Suche nach seinen Brettern. Eines fand er
schließlich, das ihm geeignet erschien. Er hievte es sich über die
Schulter und stapfte zum Auto zurück.
So
lang war Willi schon ewig kein Weg mehr gewesen wie dieser, mit dem
schweren Brett in Stiefeln den Sand hinauf.
„Ich
werde langsam alt.“ Keuchend ließ er das Brett vor dem Auto auf den
Boden fallen, schloss die Augen und stützte sich schwer atmend auf die
Motorhaube.
Sand
knirschte hinter ihm. Willi fuhr herum. Ein harter Gegenstand traf ihn an
der Schläfe. Willi sackte auf die Motorhaube.
Er fühlte Blut, als er nach der schmerzenden Stelle tastete. Mühsam hob
er den Kopf, sah es dunkel auf den beigen Lack tropfen.
Ein
Schlag traf ihn im Genick; aber es tat erst weh, als er mit dem Gesicht
aufs Metall knallte. Dann spürte er gar nichts mehr.
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Folge 17 ..