Ferieninsel Krautsand - 16 -

 

 

 

 

Home
Nach oben
Mitglieder
Veröffentlichungen
Schreibwerk-"zeug"
Disclaimer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Herma streifte sich gerade ihre Bluse ab, als Willi sie am Arm packte. „Was soll das? Wo hast du mein Auto gelassen?“ So, wie er das ‚mein Auto‘ betonte, musste er gleich zum brodelnden Vulkan werden.

„Mach dir keine Sorgen; - dein – Auto ist völlig in Ordnung.“ Das fehlte noch, dass sie sich stritten. „Mein Fuß ist malad; so konnte ich nicht fahren. „Schau doch nur, wie dick er geworden ist.“

Willi schaute nicht. „Wo hast du es gelassen?“

„Ich hole es gleich morgen früh, wenn mein Fuß besser ist.“

„Und wenn nicht? - Und wenn du einen Arzt brauchst?“ Nun schaute er doch; er bückte sich sogar und betastete vorsichtig den geschwollenen Knöchel. „Wenigstens scheint er nicht gebrochen zu sein.“ Er stützte sich auf die Tischkante, um sich wieder aufzurichten. „Besser, ich hole es jetzt gleich.“

„Dreh dich gefälligst um.“ Herma reckte  demonstrativ ihre Arme, um die Haken ihres Mieders aufzunesteln. Sie hatte Mühe, den geprellten Arm weit genug nach hinten zu biegen und versuchte deshalb, das Mieder zu drehen, bis die Haken wenigstens an der Seite waren. Aber es gelang ihr nicht; sie hätte die volle Kraft beider Hände gebraucht. Im Stillen verfluchte sie in diesem Augenblick ihre Eitelkeit.

„Ach was, lass dir helfen.“ Nach zwei Minuten hatte Willi sie aus ihrem schwarzen Monstrum befreit. „Also wo?“

Herma seufzte resigniert. „Nicht weit von deinem See; da, wo der eine Dünenweg aufhört und man auf das halb verfallene Gehöft schauen kann.“

Er runzelte die Stirn.

„Ich glaube, vor zwanzig Jahren haben es die Harmsens bewirtschaftet.“

„Kannst du es nicht besser beschreiben?“ Willis Gesicht wurde noch eine Spur düsterer, während er die Regenjacke vom Haken nahm. „Was vor zwanzig Jahren war, hilft mir nicht weiter.“

Aber Herma wollte nicht genauer werden. Er brauchte nicht zu erfahren, dass es im Sand feststeckte. „Siehst du, es wäre doch besser, du wartest bis morgen.“

Willi gab zum Abschied noch ein Knurren von sich, dann öffnete er die Tür des Wohnwagens.

Eine Windbö trieb eine Sandwolke zu ihnen hinein; dann prasselten die ersten schweren Regentropfen aufs Wagendach.

Willi knurrte noch einmal, zog seine Fischerstiefel an und verschwand dann endgültig.

 

Der Regen blieb spärlich, aber Blitze zuckten unablässig über den bleigrauen Himmel. Willi fand  sein Auto, kurz bevor es Nacht wurde.

Mit zusammengeknffenen Augen umrundete er sein Gefährt. „Ich hätte eine Taschenlampe mitnehmen sollen.“ Nach der zweiten Runde atmete er auf. „Scheint tatsächlich alles ganz zu sein.“

Er schloss auf und startete. Mit einem hässlichen lauten Knirschen drehten die Räder durch, als er anfahren wollte. „Verdammt!“ Er würgte den Motor ab. „Verdammt!“

Er startete erneut, legte den Rückwärtsgang ein und ließ ganz langsam die Kupplung kommen. Der Wagen setzte sich in Bewegung. Willi trat das Gaspedal um Millimeter herunter; er hatte das Gefühl, aus dem Sandloch herauszukommen. Er hielt an und sah sich um. Kein vernünftiger Platz zum Wenden. Als er den nächsten Meter rückwärts rollte, lenkte er ein wenig zur Seite, um nicht wieder in dem Sandloch zu landen.

Dann schaltete er in den ersten Gang und fuhr vorsichtig an. Gerade, als er erleichtert aufatmete, begannen die Räder durchzudrehen. Willi nahm Gas weg, aber es war zu spät. Er saß fest.

„Wenn ich die Herma das nächste Mal sehe ...“ Einen Fluch nach dem anderen ausspuckend, stieg er aus. „Ein paar Bretter. Vielleicht haben sie was dort unten.“

Er stiefelte hinunter zum Gehöft. Die Fenster waren alle dunkel; aus dem Stall kam das Schnauben des Pferdes. Ein gewaltiger Donner krachte und das Pferd wieherte und schien irgendwo gegen zu trommeln. Unvermittelt goss es wie aus Kannen.

Willi überlegte, ob er an der Haustür klopfen sollte. Aber da sich niemand regte trotz des Lärms, den das Pferd veranstaltete, entschied er, dass keiner zu Hause war.

Er umrundete den Stall auf der Suche nach seinen Brettern. Eines fand er schließlich, das ihm geeignet erschien. Er hievte es sich über die Schulter und stapfte zum Auto zurück.

So lang war Willi schon ewig kein Weg mehr gewesen wie dieser, mit dem schweren Brett in Stiefeln den Sand hinauf.

„Ich werde langsam alt.“ Keuchend ließ er das Brett vor dem Auto auf den Boden fallen, schloss die Augen und stützte sich schwer atmend auf die Motorhaube.

Sand knirschte hinter ihm. Willi fuhr herum. Ein harter Gegenstand traf ihn an der Schläfe. Willi sackte auf die  Motorhaube. Er fühlte Blut, als er nach der schmerzenden Stelle tastete. Mühsam hob er den Kopf, sah es dunkel auf den beigen Lack tropfen.

Ein Schlag traf ihn im Genick; aber es tat erst weh, als er mit dem Gesicht aufs Metall knallte. Dann spürte er gar nichts mehr.

 

.. Folge 17 ..

© Annemarie Nikolaus

 
 

 Copyright © 2005
  Stand: 29.07.2007