8. Dezember 2006

 

 

 

 

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Erid lauschte. Irgend etwas regte sich in ihm, etwas tief in seinem Herzen. Sehnsucht. Diese Melodie kam ihm vertraut vor, doch er wusste nicht, woher. Tränen traten ihm in die Augen und er wünschte sich nichts sehnlicher, als zum Ursprung der Musik zu gelangen.

Mühsam stapfte er ins Tal hinunter. Er kämpfte sich durch Schneewehen und Eisfelder, und mit jedem seiner Schritte lockte ihn die Melodie mehr. Sie drang in seine Seele, durchflutete sein Herz und trieb ihn weiter, obwohl seine Füße bereits taub waren und seine Augen wund vom eisigen Wind. Schließlich erreichte er das steinige Flussufer.

Endstation.

Wie eine schäumende Straße lag der Strom vor ihnen, unüberwindbar, denn das giftig grüne Wasser ließ kein Leben in ihm zu.

„Und was jetzt?", fragte Erid verzweifelt. „Wohin soll ich gehen?" Erschöpft sank er in den Schnee. Wozu das alles? Warum hatte er sich das alles angetan, diese Strapazen, diese Entbehrungen, wenn sein Weg hier im Nirgendwo enden soll?

Und was sollten dann all die Zeichen, die ihn immer weiter getrieben hatten? Die Stimme Irins, die nur noch als Echo in seiner Erinnerung wiederhallte, der brennende Dornenbusch, von dem er in einer alten Legende gehört, aber seinen Sinn vergessen hatte oder der Geist des rätselhaften Alten und nicht zuletzt die wundersame Melodie. Warum hatten sie ihn hier her geführt, wenn es hier zu Ende sein sollte?

„Was willst du noch von mir?", schrie er, doch der Sturm riss die Worte von seinen Lippen.

Da spürte er plötzlich eine feuchte Wärme an seinen steif gefrorenen Fingern. Hope leckte ihm zaghaft die Hände und blickte winselnd zum Flussufer hinauf.

„Hope, meine Hoffnung", seufzte Erid. „Es ist vorbei. Unser Weg ist zu Ende", doch Hopes Winseln wurde immer drängender. Schließlich nahm sie vorsichtig seinen Ärmel zwischen ihre Fänge und begann daran zu zerren. Sie gab nicht eher Ruhe, bis Erid sich aufgerappelt hatte und ihrem Zerren nachging.

Sie führte ihn immer weiter am Ufer entlang, bis zu einer Stelle, wo harschverkrustete Felsen im Flussbett lagen. Dort war das Wasser flacher und ruhiger, und Erid schöpfte neuen Mut.

„Hier hinüber?", fragte er die Wölfin. Hope stieß ihn aufmunternd in die Seite.

Erid schloss die Augen und konzentrierte sich voll auf die Melodie. Er wollte nichts lieber, als zu ihrer Quelle zu gelangen, dort, davon war er überzeugt, würde etwas auf ihn warten, was dieser Wanderung einen Sinn gab. Ein letzter Blick zurück, dann setzte er seinen Fuß auf den ersten Felsen.

Vorsichtig balancierte er von Stein zu Stein, tastete sich vor, und mehr als einmal drohte er, den Halt zu verlieren und in die giftige Brühe zu stürzen, doch zu guter Letzt erreichte er unversehrt das andere Ufer.

Hope bereitete das Hindernis weit weniger Probleme, sie sprang behände vom Felsen zu Felsen und landete mit einem wohl gezielten Satz zu seinen Füßen.

Erid schaute sich um. Mittlerweile war es Nacht geworden und das Mondlicht erhellte vor ihm ein riesiges Schneefeld, ohne irgend einen Hinweis auf Leben. War das sein Weg? Geradewegs hinein in diese konturlose weiße Wüste, die ihm weder Schutz noch Nahrung bieten würde? Seine Vorräte gingen langsam zur Neige, er war erschöpft und durchgefroren bis ins Mark, doch diese Melodie... sie lockte ihn stärker denn je.

Er kraulte Hope hinter den Ohren und machte sich auf den Weg.

..9.12..

© Heike Schulz

 
 

 Copyright © 2005
  Stand: 19.12.2006