6. Dezember 2006

 

 

 

 

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Hope stand auf einer Kiste und neben der Kiste stand eine zweite und Erid öffnete die Kisten und darin lagen gedörrte Früchte, Zwieback, getrocknetes Brot und Käse, Schokolade. Er füllte seine Taschen und kletterte nach oben. Er ging zu den summenden Gestalten, hielt ihnen das Brot und die Früchte hin. Und die Schokolade. Da war es, als zöge jemand den trüben Schleier von ihren Gesichtern und ihre Augen fingen an zu leuchten. Sie nahmen die Geschenke, aßen und in ihre Körper kehrte das Leben zurück. Erid zeigte ihnen die beiden Kisten in der Schneegrube. Sie lachten und umarmten einander und sie umarmten Erid und dankten ihm mit Worten, die er nicht kannte, doch er verstand ihre Freude und das Glück. Und sie summten, und aßen, und tanzten, und lachten.

Erid und Hope gingen weiter. Das Lachen hinter ihnen wurde leiser und bald waren sie wieder allein. Plötzlich blieb Hope stehen und knurrte. Erich horchte. Da war nichts zu hören und zu sehen. So weit das Auge reichte, keine Menschenseele und kein Tier. Weit vor ihnen lag ein Tannenwald. Schneeflocken fielen. Eine scharfe Brise peitschte sie auseinander. Hope stand da mit gesträubten Nackenhaaren. Ihre grünen Augen glühten. Sie witterte, knurrte nicht, ging ein Stück vorwärts. Erid stand wie erstarrt. War ein Geist in der Nähe? Konnten Wölfe Geister riechen?

Hope war stehen geblieben. Leise fing sie an zu winseln, sie schien sich an etwas zu drängen, setzte sich in den Schnee und senkte den Kopf. Erid vergaß für Sekunden zu atmen. Hope legte sich auf die Erde und ihre Haare wurden niedergedrückt, als striche ihr jemand über das Fell. Was ging da vor sich? Warum hatte die Wölfin sich hingelegt? Jetzt schloss sie die Augen. "Hope!", rief Erid und war mit wenigen Schritten bei ihr. Er kniete neben ihr nieder und streichelte ihr Fell. Da packte jemand seine Hand und eine dunkle Stimme sagte: "Ich habe dir die Hoffnung geschickt, damit sie dich ins Leben zurückbringt. In ein Leben, in dem die Wahrheit gilt und die Heuchelei keinen Platz hat."

"Wer bist du?", fragte Erid er stand auf und tastete nach einem, den er nicht sehen konnte.

"Ich bin, der ich bin", war die Antwort des unsichtbaren Wesens.

"Mein Gott." Erid rieb sich die Augen. War er verrückt geworden? Hörte er Gespenster?

"Ich habe deine Gedanken vernommenm, habe gehört, wie du über die Religionen, die Kirchen geschimpft hast. Ja, oft haben die Kirchen falsche Botschaften in die Welt gesandt. Botschaften, die weder ich noch die Propheten verkündeten. Kriege sind geführt worden in meinem Namen. Sinnlose Kriege. Man hat meinen Namen missbraucht."

"Wenn du Gott bist, von dem es heißt, er sei allmächtig, warum hast du die Kriege nicht verhindert? Warum hast du das Leid der Menschen und Tiere zugelassen? Warum hast du zugelassen, dass die Erde verwüstet wird? Warum?"

Der Unsichtbare schwieg.

"Warum?", schrie Erid und boxte mit beiden Fäusten die Luft, als könne er den Unsichtbaren treffen.

"Ich habe den Menschen die Freiheit gegeben, sich für Gut und Böse zu entscheiden", sagte der Unsichtbare.

"Gott, du machst es dir zu leicht", sagte Erid. "Du hast den Menschen die totale Freiheit gegeben, aber nicht die Vernunft, um mit dieser Freiheit verantwortungsbewusst umzugehen."

"Ich habe dem Menschen die Vernunft gegeben, dadurch unterscheidet er sich von allen anderen Wesen auf der Erde."

"Und warum sind die Menschen unvernünftig? Steckt der Teufel dahinter? Bist du gegen den Teufel machtlos?" Erid fühlte, wie der Zorn vieler Jahre in ihm hochschäumte. "Gott, du hast die Menschen im Stich gelasssen."

Schwarz überzog sich der Himmel. Dumpf grollte der Donner. Erid schaute nach oben. "Ist das die einzige Antwort, die dir einfällt?", fragte er. Ein eisiger Windhauch schnitt ihm ins Gesicht. Hope kam zu ihm, leckte seine Hand und nahm sie zwischen ihre Fänge. Sie zog ihn fort zum Tannenwald. Hinter ihnen braute sich das zornige Unwetter zusammen. Blitze und Donner jagten sie. Erid rannte, sie mussten den schützenden Wald erreichen. Nur noch wenige Meter. Doch plötzlich prallte er gegen eine Wand. Eine undurchsichtige Wand, die so hart war, dass er sich den Kopf daran stieß. Das Unwetter war vorbei. Hope winselte und rieb ihren Kopf an Erids Bein. Erid drehte sich um und da sah er es. Langsam kam es auf ihn zu.

Am Horizont glühte der goldrote Streifen.

..7.12..

© Evi Sperber

 
 

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  Stand: 15.12.2006