5. Dezember 2006

 

 

 

 

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Erid ging weiter und horchte. Er wagte noch nicht sich umzudrehen. Zu groß war seine in den Jahren antrainierte Furcht. Nur keine Angst zeigen, die Feinde witterten die Angst. Gleichzeitig flammte in ihm die Gewissheit auf, dass hinter ihm keine Gefahr lauerte und er wunderte sich, dass er dieses Gefühl nach all den Jahren der Hoffnungslosigkeit noch erkannte.

Hope folgte ihm knurrend, widerwillig und berührte sein Bein. Langsam drehte sich Erid um und sah das Stapfen: In einer Linie folgten ihm eine handvoll Gestalten in aufrechtem Gang. Sie waren von Kopf bis Fuß in Felle gehüllt, es war nicht zu erkennen ob es sich um Steinzeitmenschen, Menschen aus Erids Jahrhundert oder Fabelwesen handelte, ob Männlein oder Weiblein. Als Erid seinen Schritt verlangsamte, wurden auch sie langsamer, beschleunigte er, beschleunigten auch sie.

Hope knurrte noch immer. Erid verharrte und versuchte sie zu beruhigen, strich ihr durch das warme Fell, das Tier zitterte darunter aufgeregt. Hinten summten die Gestalten in tiefen Tönen, so tief, dass die Töne Erid in den Eingeweiden erfüllten, aber sie näherten sich nicht. Hope schnupperte und zerteilte mit ihrer Schnauze den Schnee vor sich. Dann grub sie mit den Vorderbeinen. Der Schnee flog in alle Richtungen, sie grub immer heftiger und versank bald ganz im Loch. Erid wartete, den Hoffnungsstern fest im Griff. Eine unterirdische Höhle? Eine Quelle, ein Durchgang ins Land der Sonne? Erid lächelte und drehte sich zu den summenden Gestalten um. Sie hatten sich auf Äste gestützt, ihre Gesichter waren fast vollständig von Haaren und Fellen geschützt, Erid konnte nur dumpfe Augen entdecken. Augen, ohne jede Hoffnung, Augen aus denen gelber Saft tropfte. Die Äste gaben den Gestalten den letzen Halt, damit sie nicht umsackten und im Schnee für immer einschliefen.

Erid befiel Panik. Seine Kraft reichte nicht für zehn. Seine Vorräte hatte er in der Höhle gelassen. Er würde zehn Wesen beim Sterben zu sehen müssen, und Hope grub gerade das Grab. Das war schlimmer als die Jahre der Einsamkeit in der Höhle. Das war der Blick in die Hölle.

Aus den Tiefen der Schneegrube hörte Erid Hopes Fiepen. Es steigerte sich zu einem Bellen, bis Erid herunterstieg und sehen konnte, warum die Wölfin genau hier zu graben begonnen hatte:

..6.12..

© Tine Sprandel

 
 

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  Stand: 15.12.2006