Erid wachte früh am Morgen auf, weil er fror. Das
Feuer war erloschen. Er stocherte in der Asche herum und fand noch etwas
Glut, die er durch Pusten anfachte. Sobald eine Flamme aufloderte, schob
er trockenes Moos hinein und als es brannte, Äste. Inzwischen war Samira
aufgestanden und hatte Schnee in ihrem Topf gesammelt, den sie über dem
Feuer erhitzte.
Mit jedem Schluck wurde Erid wieder warm. Die
Erlebnisse des Vortages drückten seine Stimmung. Schweigend aßen und
tranken sie. Die Hoffnung der letzten Tage war verschwunden. Musste er
wirklich alleine weiter? Bittend sah er Samira an, doch die schüttelte
nur den Kopf. „Ich habe mein Ziel erreicht. Nimm das hier!“ Sie
reichte ihm ihren Korb mit den Vorräten, den Kräutern und ihrem Topf.
„Das brauchst du selbst!“
„Nicht mehr.“ Sie lächelte verklärt. Ihm
schien, als ob sie schon in einer anderen Welt weilte.
Sie half ihm, die Strickleiter hochzuziehen und Hope
daran festzubinden. Gemeinsam ließen sie die Wölfin langsam in die
Schlucht hinunter. Er schwieg, weil ihm die Worte des Dankes und des
Abschieds fehlten. Schließlich packte Erid die Welpen in seinen Sack und
hing ihn um seine Schulter.
Samira umarmte ihn. „Du wirst dein Glück finden.
Ich habe es in den Sternen gesehen. Folge Hope!“
„Bitte, komm mit!“
Sie schüttelte ihren Kopf, drehte sich um und
verschwand im Wald. Eine Weile sah Erid ihr nach. Als Hope bellte, besann
er sich und kletterte vorsichtig die Leiter hinunter. Mit einer Hand hielt
er sich fest, in der anderen hielt er den Korb. Einmal verlor er fast den
Halt, weil sein Sack ihn zu weit nach hinten zog. Im letzten Augenblick
zog er sich an die Felswand zurück und balancierte die Strickleiter aus.
Einen Augenblick wartete er, bis sich sein Herzschlag beruhigt hatten,
dann tastete er sich weiter. Am Grund setzte er das Gepäck ab und
befreite Hope.
„Jetzt sind wir wieder allein.“ Er vergrub sein
Gesicht in ihrem Fell. Am liebsten hätte er geschrieen. Er fühlte sich
elend. Sollte er lieber umkehren und bei Samira bleiben? Die Welpen
leckten seine Hände, da besann er sich, richtete sich auf und tätschelte
sie.
„Meine Gute, du musst mir tragen helfen.“ Er
schnallte seinen Sack auf Hopes Rücken. Die Wölfin lief vornweg, gefolgt
von den Welpen. Im Wald kamen sie gut voran. Doch am Waldsaum weitete sich
die Schlucht und vor ihnen lag eine verschneite Ebene. Hope sprang trotz
des Gepäcks weiter. Erid folgte, versank aber gleich beim ersten Schritt
hüfttief. Hope kehrte um, stupste ihn an und lief zwei Schritte zur
Seite. Dort begann sie zu scharren. Erid befreite sich, nur um gleich
wieder einzusinken. Schließlich erreichte er Hope und sah, was sie
entdeckt hatte: Samiras Schneeschuhe. Sie musste sie schon in der Nacht
hierher gebracht haben. Ihm kamen die Tränen. So einsam wie jetzt hatte
er sich nur nach Irins Verlust gefühlt.
Mit den Schneeschuhen kam er besser voran. Er folgte
Hope, ohne sich zu fragen, wohin sie lief. Langsam glaubte er an Wunder.
Gegen Mittag schwand mit seiner Kraft auch seine Hoffnung. Er kam immer
langsamer voran, verlor Samiras Laufrhythmus. Hope schaute ihn ein paar
Mal fragend an. Schließlich blieb sie stehen, drehte sich um ihre Achse,
legte sich hin und rollte sich ein.
„Du willst eine Pause machen?“ Er setzte sich
neben sie und kramte einige Speckseiten aus dem Korb, die er mit den
Welpen teilte. Danach setzte er die Jungtiere auf seinen Schoß und wärmte
seine Hände in ihrem Fell. Die Wölfin spitzte die Ohren. Erid lauschte
und fühlte sich von der Melodie getröstet. Vor ihm leuchtete die Ebene
rot.
..22.12..
© Annette
Paul