Sarah
sank in den Schnee bis zu ihren Knien. Die Nässe kroch in ihre Stiefel.
Nur mit Mühe kam sie vorwärts.
Warum
ging sie nicht einfach zurück, ließ sich von Thoren zum Flughafen
bringen und vergaß einfach dass es jemals einen Aaron gab? Schließlich
hatte er sie auch vergessen. Zwanzig Jahre lang ließ er sie im Glauben,
dass er tot war. Und sie würde es noch weiter glauben, wenn nicht …
Sarah
blieb stehen. „God dag!" Die einzige Begrüßungsformel, die sie
sich gemerkt hatte. Das Bündel Fell, das ihr entgegenkam, schaute hoch.
Ein wettergegerbtes Gesicht blickte sie verwundert an.
„Jeg
heter …" Sarah deutete auf sich. „Sarah. Jeg … suche … Aaron
und Familie." Sarah lächelte.
„Ja!"
Die Frau nickte und ihr Gesicht zeigte noch mehr Falten als zuvor. Sie
deutete zu dem Ort, der nur noch wenige Meter entfernt war. Offensichtlich
verstand sie, was Sarah wollte. „Takk."
Sarah
schleppte sich weiter durch den Schnee, der sekündlich höher zu werden
schien. Fünf Häuser und hinter einer dieser Mauern lebte Aaron. Ihr Herz
schlug schneller. Ob er sie wieder erkannte? Wie er wohl aussah? Ob er
immer noch seine blonden Locken hatte?
Sie
lief schneller, kniff dann die Augen zu als sie den Schatten einer Frau in
der Dunkelheit bemerkte. War das nicht gerade Rachel, die hinter der Tür
des ersten Hauses verschwunden war? Die Frau sah ihr zu mindest sehr
ähnlich. Dort wollte Sarah es auch als Erstes versuchen.
Sie
steuerte direkt auf das Haus zu. Die kalte Luft schnitt ihr in die Kehle.
Noch wenige Meter und ... Sarah schrie auf. Sie sackte mit dem Fuß tief
in den Schnee. In ihrem Knöchel stachen Dutzende von Messern und bohrten
sich tiefer bei jeder ihrer Versuche, sich aus dem Schneeloch zu
befreien.. Sarah ließ sich auf den Schnee fallen. Der Schmerz trieb ihr
die Tränen in den Augen. Sie blickte um sich. Keine Menschenseele.
„Aaron!"
Sarah schrie immer wieder seinen Namen in die Nacht. Keine Tür öffnete
sich. Alle saßen warm in ihren Räumen und betrachteten bestimmt das
Feuer, das in den Kaminen knisterte.
Erschöpft
ließ sich Sarah zurückfallen. Es hatte aufgehört zu schneien und
zwischen den Wolken blitzte vereinzelt ein Stern am Himmel.
Wenn
sie keiner fand, erfror sie und das ganz in seiner Nähe. Verrückt.
In
der Ferne hörte sie das Heulen der Wölfe und sie wünschte sich nichts
sehnlichter als zu Hause zu sein, im Bett zu liegen und Metas Buch zu Ende
zu lesen. Wie lange sie es wohl aushalten würde? Ihre Finger wurden taub.
Sie konnte sie kaum noch bewegen. „Aaron, hilf mir!"