Nach
einem langen Marsch, dem roten Schimmern entgegen, hatten sie endlich ein
passendes Nachtlager gefunden und sich eingerichtet.
Erid
lag auf einigen nadellosen Tannenzweigen, den Kopf auf den Arm gebettet
und sah Samira zu. Das Feuer
prasselte. Sie schob einen Ast ein Stück weiter ins Feuer hinein und
sofort stieben knisternde Funken in den wolkenverhüllten Nachthimmel. Die
Wärme fing sich in den nahen Felswänden, umhüllte Erid und machte ihn
schläfrig. Sie hatten ein wenig gegessen und der Kräutertee gab
zumindest das Gefühl einer Sättigung. Hope lag etwas abseits und
bewachte mit aufmerksam gespitzten Ohren das Lager. Erid bewunderte
Samira, die so ruhig und gelassen dasaß und nun mit ihren geschickten
Fingern kleine Zweige in die kaputten Stellen seiner Schneeschuhe
einflocht. Sie summte eine Melodie, die harmonisch mit den Klängen des
Himmels ineinander zu fließen schien. Erid fielen die Augen zu. Bilder
begannen in seinem Kopf zu wabern, vermischten sich mit Klangfetzen und
ließen ihn sanft ins Reich der Träume gleiten.
Ein
glockenreines Lachen ertönte und ein wirbelnder Farbenball verlangsamte
sich zu einer schlanken Frau mit einem Kleid aus bunten Stoffen. Vor ihm
tanzte Irin, leichtfüßig, anmutig, lachend. „Komm zu mir,
Geliebter“, rief sie und ihre Augen leuchteten vor Glück. „Ich
schenke dir Vertrauen!“ Sie streckte ihre Hand nach Erid aus und er
wollte sie ergreifen, doch er erreichte sie nicht. Wieder lachte sie und
drehte sich tanzend im Kreise. Der rote Stern an ihrem ledernen Halsband
leuchtete auf. Plötzlich verwischten sich Irins Konturen, ihr Aussehen
veränderte sich. „Irin, bleib!“ wollte Erid rufen, doch kein Laut
verließ seine Lippen. Die Tänzerin war jetzt nicht mehr Irin, Erid sah
eine unbekannte junge Frau
mit langem dunklem Haar. Ihre strahlenden Augen schienen ihm seltsam
vertraut und nun lachte auch sie. Es war Samiras Lachen.
„Erid!
Wach auf!“ flüsterte Samira und rüttelte ihn heftig an der Schulter.
„Psst! Still“ raunte sie, als er unwillig die Augen aufschlug und zu
brummeln begann. Samira sah sich prüfend um und lauschte. Alarmiert
richtete Erid sich auf. „Wo ist Hope?“
„Sie
ist gerade eben weggelaufen“, erklärte Samira. Sie schien erregt, aber
nicht besorgt. „Sie hat sich seltsam benommen. Als sie kurz knurrte, sah
ich zu ihr. Sie fixierte gespannt einen Punkt drüben am Waldrand, da wo
noch das rote Leuchten zu sehen ist. Dann hat sie Witterung aufgenommen
und plötzlich fing sie an zu winseln und mit der Rute zu wedeln. Und
sofort ist sie losgelaufen!“
„Ich
muss sie wiederfinden!“ Mit steifem Rücken rappelte sich Erid auf.
„Verdammt, ist das dunkel da draußen!“ Er griff nach einem dicken
brennenden Ast, dessen langes Ende aus dem Lagerfeuer ragte. „ Samira,
bleib hier! Ich komme gleich zurück! Ich hoffe, dass sie noch in der Nähe
ist, sonst können wir nichts tun.“
„Sei
vorsichtig!“ warnte Samira, erhob aber keine Einwände.
Erid
verließ den geräumigen Felsspalt und schlich mit geschärften Sinnen in
die Dunkelheit. Eisiger Frost umfing ihn und sein Atem gefror in der
windstillen Luft zu weißem Nebel. Die Fackel erleuchtete seine unsicheren
Schritte und er lauschte gespannt. Nichts. Nur das knirschen des Schnees
unter seinen Füßen.
Erschrocken
fuhr er zusammen, als Hope plötzlich bellte. Es klang recht nah,
auffordernd, und ein leises, beinahe zärtlich klingendes Fiepen mischte
sich hinein. „Hope! Ich komm zu dir!“ rief Erid und rannte los. Hope
schien etwas Vertrautes gefunden zu haben! Wie war das nur möglich,
mitten in der Nacht, in dieser eisigen Wildnis?
..14.12..
©
Ilona Hanft