10. Dezember 2006

 

 

 

 

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"Erid, wach auf! Es ist Zeit zum Aufbruch", sagte Samira.

Er öffnete die Augen. Samira hielt ihm seine Kleidung entgegen, in dem Moment fiel etwas auf den Boden. Sie bückte sich und hob den Gegenstand auf.

"Wo hast du ihn her?", fragte sie.

Erid sprang auf. "Du weißt, was das ist?"

"Der Hoffnungsstern."

"Woher kennst du ihn?" Er zog sich an.

"In meiner Jugend habe ich darüber gelesen, er wird von Generation zu Generation weiter gereicht und es existiert ein Gegenstück. Der zweite trägt den Namen: Vertrauen." Sie drehte den Stern in ihren Händen, dann hob sie ihn an und blickte hinein. "Hast du gesehen, im Inneren bewegt sich etwas. Es sieht aus … Ach nein, dass kann nicht sein." Samira reichte Erid den Stern. "Sagst du mir, wo du ihn gefunden hast?"

"Hope trug ihn an einem Halsband." Er knöpfte sich die Jacke zu, zog die Mütze über.

Die alte Frau wandte sich ein Stück von ihm ab und kramte unter einem Regal. Kurz darauf zog sie einen Schnürsenkel heraus und reichte ihn Erid.

"Was soll ich damit?" Er sah sie erstaunt an.

"Bind den Stern wieder um Hopes Nacken, sie wird uns dadurch zur Melodie führen ohne das wir Umwege gehen oder uns verlaufen."

Als hätte die Wölfin sie verstanden, erhob sie sich von ihrem Schlafplatz, reckte ihren Körper und gähnte. Dann setzte sie sich vor ihr Herrchen und streckte ihm erhaben den Kopf entgegen. Erid befestigte den Stern und band ihn ihr um.
"Gut gemacht, Hope." Er streichelte ihr übers Fell.

"Komm Junge, es wird Zeit, dass wir gehen." Samira griff nach dem Korb und stellte ihn vors Iglu. "Damit wir unterwegs nicht verhungern."
Schnell schnürte Erid sein Bündel und sah sich ein letztes Mal im Iglu um. Sein Blick fiel auf ein Foto an der Wand, das ihm am Abend nicht aufgefallen war. Er ging einen Schritt näher. In dem Moment spürte er eine knochige Hand auf seinem Arm. "Lass uns gehen", mahnte Samira.

Erid blieb stehen, versuchte weiterhin die Person auf dem Bild auszumachen. Samira wurde darauf aufmerksam und stellte sich in sein Blickfeld, sah ihm in die Augen. "Dafür hast du später Zeit. Komm!" Sie schubste ihn leicht an.

Gemeinsam verließen sie die Behausung. Hope lag bereits vor dem Eingang.

"Hope!", sagte Samira. Die Wölfin sprang auf. "Zeig uns den Weg." Es sah aus, als würde Hope nicken. Sie schnupperte in alle Windesrichtungen, nieste. Dann spitzte sie ihre Ohren. Erid beobachtete, dass ihr linkes Ohr plötzlich heftig anfing zu zucken.

Dann lief Hope anmutig los, gen Osten.

"Mir kommt es vor, als würde die Melodie aus dem Westen kommen", flüsterte Erid Samira zu.

"Psst, Erid", sie legte ihren Finger auf den Mund. "Hope weiß wohin sie uns führt, wir brauchen ihr nur zu folgen."

Erid nickte, packte den Korb. Hope lief einige Meter voraus. Erid passte sich Samiras Schritt an.

Langsam ging die Sonne auf und der rot glitzernde Schimmer wurde durch ihre Strahlen verstärkt. Erid beschlich das Gefühl, als würden sie sich davon entfernen, auch die Melodie war leiser geworden.

Stunden des Wanderns vergingen, über eine Schneegebiet ohne Vegetation. Samira hatte sich ihr durchsichtiges Tuch über die Augen gezogen, um sich vor der weiß reflektierenden Landschaft zu schützen. Erid kniff die Augen zusammen und versuchte in die Ferne zu sehen. Er machte einen dunklen Schatten aus.

Es könnte ein Haus sein, dachte er, blieb stehen, legte die Hände zum Schutz vor die Stirn und sah es sich genauer an.

"Siehst du etwas?", fragte Samira.
"Ich glaube dort drüben steht ein Haus." Er wies mit der Hand in die Richtung.

"Meine Augen taugen nicht mehr, ich erkenne es nicht. Kannst du die Entfernung ausmachen?", fragte sie.

"Zwei, drei Kilometer." Plötzlich spürte er einen Stoß am Bein. Hope stand neben ihm und schubste ihn ein weiteres Mal.

"Was willst du?", fragte er und beugte sich zu ihr hinunter.

Hope machte einen Satz und spurtete davon.

"Wo willst du hin? Du gehst in die falsche Richtung!", rief er hinter ihr her. Dann wandte er sich zu Samira. "Und jetzt? Das Haus liegt vor uns, es wäre eine geschützte Unterkunft für die Nacht."
Sie legte leicht ihre Hand auf seinen Arm. "Vertraue ihr, Junge." Dann stiefelte sie hinter Hope her. Erid schüttelte den Kopf, atmete tief durch, verblieb auf der Stelle und schaute gebannt zum Haus hin. Unerwartet fing er an zu zittern, eisige Kälte überzog seinen Körper. Er eilte Samira hinterher. "Wartet auf mich!", rief er, doch weder sie noch Hope schienen ihn zu hören. "Halt! Lasst mich nicht zurück!" Er stampfte durch den Schnee, versank immer wieder bis zur halben Wade. Erid hatte das Gefühl auf der Stelle zu gehen, es war kein Weiterkommen und seine Begleiter entfernten sich von ihm. Erschöpft ließ er sich auf die weiße Erdoberfläche sinken, schloss die Augen. Durch ein blitzartiges Funkeln, das vor seinen Lidern tanzte schrak er auf. In dem Moment erblickte er Umrisse des Bildes, dass in Samiras Iglu an der Wand hing. Unsagbare Wärme ging durch seinen Körper, legte sich um sein Herz. Hoffnungsvoll stand er auf und schritt langsam in Richtung der beiden Gestalten, die am Horizont immer kleiner wurden. "Ich geb nicht auf!" Er ballte die Hände. "Jetzt erst Recht nicht!"

Als es dämmerte hatte er sie eingeholt. Samira saß am Lagerfeuer, Hope kaute an einem Stück getrocknetem Fleisch und sah nur kurz auf, als er auf sie zuschritt.

"Wo warst du so lange?", fragte Samira und hielt ihm eine Tasse entgegen. Duft von frischem Kräutertee stieg ihm in die Nase. Ohne zu antworten nahm er dankend an, setzte sich neben sie.

"Wer ist das auf dem Foto in deinem Iglu?", fragte er.

..11.12..

©Sigrid Wohlgemuth

 

 
 

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  Stand: 15.12.2006