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                          "Der Roboter"

Annette Paul

- Leseprobe aus: "Jakobs Sternenflug" -

 

 

 

Der tonnenförmige Putzroboter kippte seinen Müllbehälter auf den Steinboden aus. Danach klappte er die sechs kurzen Beine ins Innere und ließ sich auf den Dreck plumpsen. Dadurch wirbelte muffiger Staub auf. Jakob verzog das Gesicht, weil es stank. Neben ihm hustete Bill.

Er bückte sich zu dem Roboter. Mit einem Plastikgriffel änderte er auf dem Display am Rücken den Befehl „esh" in „tsh". Daraufhin marschierte der Robi vorwärts, drehte aber nach links ab und prallte scheppernd gegen eine Werkbank. Dann trat er auf der Stelle. Bei jedem Schritt knirschten seine Metallteile, übertönten die Dudelsackpfeifer des Internats, die im Musikraum nebenan probten.

Jakob wischte sich den Schweiß von der Stirn, langsam bereitete sich Panik in ihm aus.

„Los, streng dich an, sonst müssen wir schrubben." Etwas im Klang der Stimme ließ Jakob aufschauen. Bill war so blass, dass seine Sommersprossen deutlich hervortraten.

„Armer Bill!" Jakob vergaß seine eigene Angst und grinste. „Lass uns das Handbuch suchen." Er stieg auf eine Werkbank, auf der vom Unterricht noch Kunstharz klebte, und öffnete den Oberschrank. Vor ihm lagen Schaltpläne, die er durchblätterte. Nichts.

Bill schaute in den großen Kunststoffschrank auf der gegenüberliegenden Seite. „Nur elektronische Bauteile und Gussformen für Plastikarbeiten", meldete er.

Der zweite Oberschrank, den Jakob sich vornahm, enthielt Bücher. „Arbeiten mit Kunstharzen, Roboter bauen, Kinder für den Werkunterricht motivieren", las Jakob vor. „Das Handbuch für Putzroboter. Hurra!" Triumphierend hielt er es hoch. „Hilf mir beim Vergleichen!" Er drückte Bill das Buch in die Hand.

Bill las die Gebrauchsanweisung vor. Nach jeder Zeile wartete er, damit Jakob nachkam.

„Stopp, das haben wir gleich." Jakob fügte einen Doppelpunkt hinzu. Trotzdem trat der Roboter weiter auf der Stelle.

„Warum hast du sie bloß zum Wettlauf umprogrammiert!", nörgelte Bill.

„Damit die lieben Angeber sehen, dass wir nicht blöd sind", knurrte Jakob.

„Das hilft nicht. Wir Weltraumsiedler bleiben die Dummen."

Die Tür glitt auf. Sobald Pascal eintrat, beugte Jakob sich wieder über das Display. Er wollte sich nichts anmerken lassen, außerdem musste er wirklich noch alle Programme überprüfen.

Eine Weile sah Pascal ihnen über die Schulter. „Hol Wischlappen und Eimer. Jakob schafft das nie", spottete er.

Jakob kniff die Augen zusammen. Am liebsten hätte er Pascal geschlagen. Schweigend arbeiteten sie weiter. Das Beobachtet werden machte ihn nervös. Zweimal korrigierte Jakob überhastet einen Befehl, nur um seine Veränderung gleich wieder rückgängig zu machen.

„Putzen ist das Einzige, was rigulanische Hinterwäldler können, programmieren solltet ihr lieber uns überlassen", stichelte Pascal weiter.

Jakob ballte die Faust, sodass der Griffel sich bog. Bill legte die Hand auf seinen Arm und drückte ihn. Als Jakob ihn ansah, schüttelte er seinen Kopf leicht. Dann zeigte er auf ein doppeltes Wort. Jakob holte tief Luft, bevor er eins davon löschte. Bill hatte recht, ein Streit würde nichts bringen.

In einem großen Bogen schlenderte Pascal an ihnen vorbei zum Lehrerpult vor der hinteren Wand. Der Unterrichtscomputer schaltete Ton und Bildschirm durch den Bewegungsmelder automatisch an. Pascal stellte den Informationskanal des Internets an.

Eine Sternenkarte mit dem Ausschnitt von Alpha Centauri erschien als räumliche Abbildung vor der Wand. Jakob bekam Heimweh. Wie gerne wäre er jetzt auf Rigulo.

Eine weibliche Computerstimme sagte: „Hier sind die Nachrichten vom 16. Mai 2265. Terroristen haben den Direktor der Bergwerksgesellschaft auf Rigulo in Alpha Centauri als Geisel genommen. In drei Tagen werden sie mit den gestohlenen Sternenschiffen die Umlaufbahn der Erde erreichen. Die Regierung kündigte an, hart vorgehen zu wollen."

Jakob drehte sich um. Er schluckte und zwinkerte die Tränen weg. „Hoffentlich ist meiner Familie nichts passiert", krächzte er.

„Ha, deine tollen Rigulaner! Primitiv und dumm, wie du. Nichts als rohe Gewalt", höhnte Pascal.

„Mistkerl!" Jakob stürzte sich auf ihn. Durch den Schwung riss er ihn um. Schon wälzten sie sich auf dem Fußboden. Pascal schlug nach ihm. Jakob wich aus, stieß mit dem Kopf gegen ein Plastikbein des Lehrerpults, dann traf Pascals Faust seine Lippe. Der Schmerz stachelte seine Wut an. Mit beiden Händen prügelte er auf Pascal ein.

„Jakob, wir haben schon genug Ärger", schrie Bill. Aber Jakob hörte nicht. Bill beugte sich über die Kämpfer, versuchte Jakobs Arme abzufangen. Dabei bekam er mehrere Schläge ab. „Aua, hör auf!"

Jakob ließ die Arme sinken. „Entschuldige", sagte er, noch immer heftig atmend.

Pascal sprang auf. „Das sage ich dem Direktor! Nur schlagen, aber nichts im Kopf", rief er und schlüpfte durch die Tür.

Jakob leckte Blut von der aufgeplatzten Lippe.

„Los, mach weiter!", bettelte Bill.

„Dieser blöde Kerl. Von dem lass ich mich nicht mehr fertig machen."

Jakob ging zum Roboter zurück. Bill folgte ihm. Beide betrachteten das elektronische Innenleben.

„Da!" Bill zeigte auf eine verstaubte Stelle am Rande einer Platine. „Wo kommt das her?"

„Egal!" Jakob zog sie heraus, pustete den Staub weg und steckte sie wieder hinein.

Daraufhin drehte der Roboter die optischen Sensoren in seinem Kopf, dabei entdeckte er den Müllhaufen. Mit dem Greifarm sammelte er die Plastikschnipsel auf. Anschließend fuhr er Saugrohr und Wischeinheit aus. Im Nu hatte er den Raum gereinigt. Es roch nach Desinfektionsmittel.

„Na, geht doch. Wir brauchen nicht zu putzen!" Jakob boxte Bill auf die Brust.

„Dafür wird der Verweis beim Direktor noch schlimmer, weil Pascal petzt." Bills Mundwinkel hingen nach unten.

Jakob zuckte die Achseln. Dann nahm er sich den nächsten Roboter vor. Diesmal suchte er gleich auf den Platinen nach Staub und Fingerabdrücken. Irgendein Blödmann hatte ihnen damit einen Streich gespielt.

Bill reinigte einen dritten, anschließend überspielten sie das reparierte Programm auf die restlichen Roboter. Endlich arbeiteten alle einwandfrei.

„Uff, das wäre geschafft." Bill stöhnte erleichtert auf.

Jakob setzte sich an den Computer. Er versuchte seine Eltern mit Bildtelefon oder Mail zu erreichen. Immer wieder probierte er es. Langsam breitete sich Angst in ihm aus.

„Kannst du nicht deine Freunde anrufen?", fragte Bill.

„Rigulaner haben keine weitreichenden Sendeanlagen."

Schließlich rief er die Nachrichten des Informationskanals auf. Unruhig rutschte er auf dem Stuhl hin und her. Opa wusste bestimmt Genaueres. Als ehemaliger Journalist kannte er einige Politiker und könnte zwischen Menschen und Rigulanern vermitteln. Außerdem besaß er eine Raumyacht. Natürlich! Er musste ihn überreden, nach Rigulo zu fliegen.

Jakob rief in Berlin an. Auch dort nahm niemand ab. Er schaute auf die Uhr des Bildschirms. Es war zu spät am Abend. „Ich muss nach Berlin."

„Dann komme ich mit", meinte Bill.

„Nein, es reicht, wenn sie mich aus der Schule schmeißen."

Er rannte in seinen Schlafraum und stopfte Kleidung und die Scheckkarte in den Rucksack. Jetzt brauchte er nur noch eine gültige Reisegenehmigung, deshalb lief er in das Büro des Schulassistenten. Bill folgte ihm.

Aus dem Aufenthaltsraum klang Gelächter. Sie zögerten, dann schlichen sie auf Fußspitzen daran vorbei.

Jakob stellte den Computer an, schob seine Schülerkarte in den Schlitz der Datenträger. Für die Schulunterlagen brauchte er das Passwort, deshalb versuchte er es mit den Vornamen der Frau und Kinder des Assistenten.

„Irgendwo hatte er es", murmelte Bill. Er stöberte in der obersten Schreibtischschublade herum. „Hier", er hielt Jakob einen kleinen Zettel mit einem Gedicht hin.

„Du bist super!" Jakob probierte die erste Zeile aus. Er erhielt Zugriff, knackte die Sicherung seiner Ausweiskarte und gab das Datum ein.

Bill reichte ihm wortlos seinen Ausweis.

„Deine Eltern werden sauer sein", warnte Jakob.

„Bis ich sie wiedersehe, haben sie sich beruhigt. Aber ich gehe morgen nicht allein zum Direktor!"

Jakob zuckte die Schultern und trug eine gefälschte Genehmigung ein.

 

 

©  2006

 

 

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